SSVE-Mädchen etablieren sich in der nationalen Spitzengruppe

SSVE-Mädchen etablieren sich in der nationalen Spitzengruppe
6. November 2018

„Die Tabelle lügt nicht“ sagt eine alte Sportlerweisheit. Das mag sein, aber mitunter zwingt die Abschlusstabelle eines Turniers doch dazu, genauer hinzuschauen, wenn man erfahren möchte, was eine Mannschaft im Wettbewerb geleistet hat. So im Falle der Deutschen Meisterschaft in der weiblichen U16 2018, die am vergangenen Wochenende in Krefeld stattgefunden hat, wenn es um das Abschneiden des SSVE-Teams um Trainerin Iris Schneider geht. Mit nur einem Punkt wurden die Esslinger Mädels letzte unter den sechs im Turnier vertretenen deutschen Spitzenmannschaften. Das ist die eine Wahrheit. Die andere ist, dass über alle Spiele hinweg schon gerade einmal 5 Tore mehr gerreicht hätten, um erstmals seit Jahrzehnten eine Medaille aus einem nationalen weiblichen Topwettbewerb an den Neckar zu holen. Auch die Tatsache, dass die Tordifferenz im Vergleich zum Fünftplatzierten sogar deutlich positiv für den SSVE ausfällt, zeigt klar, dass sich die Esslinger Mädchen in der deutschen Spitzengruppe etabliert haben.

Den Titel des deutschen Meisters konnte die von Nationaltrainerin Anja Skibba gecoachte Mannschaft vom SC Chemnitz verteidigen, die sich in einem echten Herzschlagfinale gegen das Team des SV Bayer Uerdingen 08 durchsetzte, der sich mit einem perfekt organisierten Turnier in seinem attraktiven Vereinshallenbad als hervorragender Gastgeber des Wettbewerbs präsentiert hat. Den dritten Platz sicherte sich der ETV Hamburg vor dem SV BW Bochum auf dem vierten und der SVg Laatzen auf dem fünften Platz. Während Chemnitz und Uerdingen von Beginn an keinen Zweifel an ihren Titelambitionen ließen und bis zum Finale beide ungeschlagen blieben, lag die übrige Vierergruppe ausgesprochen eng beieinander. Eine Niederlage mit zwei Toren Differenz, eine mit nur einem und schließlich gar ein Unentschieden gegen den späteren Dritten lassen keinen Zweifel daran, dass der SSV Esslingen – als einziger ohne den Hintergrund eines aktuellen Frauen-Bundesligisten – hier angekommen ist.

Zweifellos hat sich dabei ausgezahlt, dass sich das SSVE-Team in diesem Jahr aufgrund der Terminierung des Turniers am Ende der baden-württembergischen Herbstferien in einem eigenen Trainingslager gründlich auf die Spiele hatte vorbereiten können. Trainiert von zunächst Bianca Sigel – die die Mannschaft schon des öfteren in Wettkämpfen betreut hat – und ab Mitte der Woche von Iris Schneider war die Mannschaft für sechs Tage in Strakonice/Tschechien, wo man in ausgiebigen eigenen Trainings, für die das komplette Bad der Stadt zur Verfügung stand, und in vier Trainingsspielen gegen Mädchenmannschaften des heimischen Vereins vor allen Dingen am Zusammenspiel, an Taktik und Routinen arbeiten konnte. Außerdem blieb Zeit für Teambuilding-Maßnahmen wie einen Ausflug nach Prag, die gerade für eine Mannschaft, in der Mädchen aus verschiedenen Heimatvereinen und aus fünf (!) verschiedenen Jahrgängen zusammenspielen, von besonderer Bedeutung sind.

Da die Esslingerinnen  beim Pokal im Sommer die Medaillenränge nur um ein einziges Tor im Spiel gegen Bochum verpasst hatten, war die Entschlossenheit, als es am Tag vor dem Turnier von Böhmen an die niederländischen Grenze ins Mannschaftsquartier fürs Turnier ging, groß, einmal mehr ums Edelmetall zu kämpfen.

Leider versetzte der Mannschaft, die noch immer den jüngsten Altersschnitt im Teilnehmerfeld aufwies, großes Verletzungspech direkt zu Turnierbeginn einen gehörigen Dämpfer: Während mit Lara Schneider eine nominelle Startspielerin schon seit längerem ausfällt (und das Team nun als Betreuerin unterstützte), traten auch bei Mannschaftskapitänin Lina Roth  pünktlich zum Wettbewerb alte Verletzungsprobleme wieder auf, die ihre Einsatzmöglichkeiten in den Spielen stark beschränkten. Schließlich fiel mit Georgia Sopiadou, die sich im ersten Spiel am Freitagabend eine Knieverletzung zuzog, eine dritte Stammspielerin für den Rest des Turniers aus.

Was tut ein Team, das auf die halbe gewohnte Startsieben verzichten muss, wenn es in das höchstklassige nationale Turnier startet? Es steckt den Kopf in den Sand – was gerade angesichts der noch immer recht geringen Erfahrung der jungen Mannschaft durchaus verständlich gewesen wäre – oder aber es setzt alles daran, die Ausfälle durch eine geschlossene Mannschaftsleistung, durch Willen und durch Einsatz zu kompensieren. Dass sich die Esslinger Mädchen für letzteres entschieden hatten, zeigte dann direkt das erste Spiel gegen den ETV Hamburg – immerhin dem späteren Drittplatzierten, dem es im ganzen Spielverlauf nur ein einziges Mal gelang, in Führung zu gehen und von dem man sich am Ende mit einem 7:7 trennte.

Am Samstagmorgen stand dann mit dem Spiel gegen den amtierenden deutschen Meister Chemnitz eine Partie an, die eine Mannschaft wie der SSVE nicht antritt, um sie zu gewinnen. Und dennoch verzichteten Schneiders Mädchen auch hier nicht auf das eine oder andere Ausrufezeichen, etwa in Form zweier schön herausgespielter Tore durch zwei der jüngsten Spielerinnen im Turnier: Elena Ludwig (2005) und Ioanna Petiki (als einzige im ganzen Wettbewerb Jg. 2006!), beide Male vorbereitet durch Balleroberungen und Vorlagen von Ida Wellensiek (ebenfalls 2005). Bei diesen beiden Toren blieb es, so dass am Ende ein 23:2 für Chemnitz stand, das in diesem Spiel bemerkenswert lange die überragenden Stammspielerinnen einsetzte.

Am selben Tag trat das Team dann noch in der Partie gegen den SV BW Bochum an, für die man sich eigentlich eine Revanche für die denkbar knappe Niederlage aus dem Pokal vorgenommen hatte. Nachdem nun jedoch die schwerwiegenden Ausfälle feststanden, rechnete wohl niemand mehr in der Halle damit, dass man noch einmal so nah an dieses etablierte Mädchenteam würde herankommen können. Und danach sah es zunächst auch tatsächlich nicht aus. Zur Halbzeit waren die Bochumerinnen bereits auf ein deutliches 3:7 davongezogen und schien die Partie entschieden. Dann aber lieferten die SSVE-Mädchen in der zweiten Halbzeit eine geradezu sensationelle Aufholjagd, zu der allein Kinga Katona (ebenfalls 2005) drei Tore beitrug. Zusammen mit einer – wie im gesamten Turnier – gegenüber früheren Spielen und Wettkämpfen auffallend verbesserten Verteidigungsleistung war somit am Ende ein Unentschieden plötzlich doch zum Greifen nahe und wäre, bei ein paar Spielminuten mehr, sogar ein Sieg nicht mehr ausgeschlossen gewesen. Die Uhr war jedoch den Mädchen vom SV BW Bochum gnädiger, so dass es beim 8:9 zu ihren Gunsten blieb. Unter den Zuschauern hatten sich die Mädchen aus Esslingen – erneut das einzige süddeutsche Team überhaupt im Wettbewerb – zahlreiche Sympathien erkämpft in diesem Spiel und waren beim einen oder anderen schon zu den heimlichen Stars des Turniers avanciert.

Es muss dieser Elan gewesen sein, der das SSVE-Team dann auch im Spiel gegen den übermächtigen SV Bayer Uerdingen beflügelt hat. Auch wenn man zugestehen muss, dass sich die Gastgebermannschaft für das wichtige Finale am Nachmittag schonen wollte, beeindruckte doch, wie selbstbewusst man den Angriffen des amtierenden und nun auch neuen deutschen Vizemeisters Paroli bot. Nicht nur die Esslinger Torhüterin Katharina Moormann erwies sich dabei – wie im ganzen Turnier – einmal mehr auf Augenhöhe mit den besten Keeperinnen Deutschlands, unter anderem, indem sie, wie schon beim Pokal, einen Uerdinger Strafwurf sicher parierte. Auch andere Spielerinnen wie die durch die Ausfälle als erfahrene Führungsspielerin besonders gefragte Maria Patsiavouridou verteidigten aufmerksam und schafften es immer wieder, eigene Angriffe erfolgreich zu Ende zu führen. So gehörte auch der letzte Treffer der Begegnung mit Maxima Kleisch, die gleich zwei Tore erzielte in diesem Spiel, einer Esslingerin – und der fiel mehr als vier Minuten vor Ende der Partie, in denen auch Uerdingen nicht mehr zum erfolgreichen Abschluss kam. So kann auch der Endstand von 13:6 im Vergleich zu früheren Ergebnissen solcher Begegnungen als Erfolg aus Esslinger Sicht gewertet werden.

Zum Abschluss stand dann am Sonntagmittag das Spiel gegen die SVg Laatzen an, die bis dahin alle ihre Spiele verloren hatte und gegen die Schneiders Mannschaft beim Pokal einen knappen Sieg davon getragen hatte. Ausgerechnet in diesem Spiel, auf das der Gegner offenbar ganz seinen Fokus gelegt hatte, forderten dann doch die kräftezehrenden Spiele des Turniers, die die SSVE-Mädchen so bravourös durchkämpft hatten, ihren Tribut. Zwar zeigten auch hier alle eingesetzten Spielerinnen ihren unbedingten Willen, das Ziel, die Leistung auch tabellarisch sichtbar zu machen, doch noch zu erreichen, wovon Lea Haidachers zweiter Treffer in diesem Spiel kurz vor Schluss zeugt – am Ende unterlagen die Esslingerinnen aber dann doch knapp mit 4:6.

Ganz frei von Enttäuschung war somit gerade vor dem Hintergrund der herausragenden Leistung und der vielen knappen Spielausgänge niemand aus dem Team angesichts der Tabelle, aber die zahlreichen Komplimente und nicht zuletzt die anerkennenden Worte von DSV-Turnierleiterin Bettina Illinger für die grandiose Vorstellung des jungen Teams, machte dann doch den Weg frei für berechtigten Stolz, als Kapitänin Lina Roth, die zusammen mit Joanna Dovridis als Spielerin des Jahrgangs 2002 ab sofort nicht mehr in der U16 spielberechtigt ist, die Mannschaft zur Siegerehrung führte. Der frenetische Applaus kam dabei nicht nur von den zahlreich angereisten Esslinger Fans, sondern durchaus auch von den Spielerinnen und Anhängern anderer Vereine, die damit in erster Linie den SSVE-Mädels, aber natürlich auch dem Verein, der diesen Weg möglich gemacht hat und seit nunmehr zwei Jahren entschlossen bestreitet, ihren Respekt zum Ausdruck gebracht haben. Nun wird es in den nächsten Jahren darauf ankommen, die begonnene Arbeit in der U14 und U16 fortzuführen und gleichzeitig in die höheren Altersklassen auszuweiten. Gerade der starke Auftrifft der jüngeren Spielerinnen, bei denen sich neben den bereits Genannten auch Leonie Schneider und Franziska Csulits in ihren Einsätzen ausgezeichnet haben, lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass bei konsequenter Verfolgung des eingeschlagenen Wegs der SSVE mittelfristig auch als entscheidende Größe im deutschen Frauenwasserball wieder ein Thema werden kann.

Für den SSVE waren im Einsatz

Hintere Reihe von links nach rechts: Maxima Kleisch, Lina Roth (K), Georgia Sopiadou, Maria Patsiavouridou, Katharina Moormann, Kinga Katona, Lara Schneider (Betreuerin), Bianca Sigel (Co-Trainerin), Iris Schneider (Trainerin)

Vordere Reihe von links nach rechts: Leonie Schneider, Joanna Dovridis, Franziska Csulits, Ida Wellensiek, Lea Haidacher, Elena Ludwig, Ioanna Petiki

Die SSVE-U16w bedankt sich bei der Firma Jungeilges & Schöffel für die große Unterstützung als Teamsponsor!

 

© 2008-2021 SSV Esslingen e.V.