13:16-Niederlage nach Verlängerung – Spektakuläres Spiel
Der SSV Esslingen hat eine Sensation im PlayOff-Viertelfinale um die Deutsche Meisterschaft denkbar knapp verpasst: in einer mitreißenden und an Spannung nicht zu überbietenden Partie mussten sich die Esslinger mit 13:16 (2:6, 2:2, 2:2, 7:3; 0:3, 0:0) erst nach Verlängerung dem Rekordmeister Spandau 04 geschlagen geben.
Eine Stunde und vierzig Minuten beste Unterhaltung und Top-Wasserball erlebten die Zuschauer, die das Merkel´sche Hallenbad in einen Hexenkessel verwandelten und sich, je länger das Spiel dauerte, verwundert die Augen rieben. Die Partie der Esslinger Bundesligawasserballer darf getrost als das Highlight der aktuellen Saison bezeichnet werden. Eine unglaubliche Energieleistung und Willenskraft brachte die SSVE-Spieler nach einem deutlichen 2:8-Rückstand noch einmal zurück ins Spiel. Ein mit 7:3-Toren verlorenes Schlußviertel haben die erfolgsverwöhnten Spieler von der Spree wohl noch selten erlebt. In „Mutti´s Badewanne“, wie das Merkel´sche Hallenbad in ironischer Weise von den Berlinern aufgrund der Namensgleichheit mit der Kanzlerin und der kleinen Spielfläche vor der Partie genannt wurde, waren die Esslinger bei der 13:12-Führung in der letzten Spielminute kurz vor der ganz großen Sensation. Mannschaftskapitän Heiko Nossek, der sechs Tore erzielte und dank seiner bestechenden Leistung „Spieler des Tages“ wurde, äußerte sich nach dem Spiel: „Leider haben wir die Überraschung verpasst. Ich will aber meiner Mannschaft ein großes Kompliment aussprechen und mich auch für die Unterstützung der Fans bedanken. In der Verlängerung ließen die Kräfte etwas nach, aber ich denke, wir haben uns gut präsentiert und den Spandauern einiges abverlangt.“ SSVE-Trainer Davorin Golubic war sehr zufrieden: „Ich möchte meiner jungen Mannschaft gratulieren, sie hat mit Herz gekämpft. Zu Beginn haben wir ein bisschen zu viel Respekt gezeigt, doch dann haben wir taktisch sehr gut gespielt. Den Ausgleichstreffer haben wir etwas unglücklich bekommen, aber dennoch ist das ein sehr gutes Ergebnis für uns.“ „Auf Augenhöhe“ sah auch Esslingens zweiter Trainer Markus Hahn sein Team und merkt an: „Ohne unseren Stammcenter Michael Müller waren wir nicht in Bestbesetzung. Aber alle Spieler, auch die jungen, haben während des Spiels den Respekt abgelegt und mit Kampfkraft und Kampfgeist gezeigt, was möglich ist. Angeführt von ihrem überragenden Kapitän Heiko Nossek zeigten die Jungs eine tolle mannschaftliche Abwehrleistung und im Tor hat Marco Watzlawik eine weitere Empfehlung für das Nationalteam abgegeben.“
Jan Glaser freut sich über seinen Treffer zum 8:10 (Foto: Benjamin Lau)
Nach den ersten Minuten der Partie schien alles wie immer zu laufen bei einem Spiel gegen Spandau. Die mit neun Nationalspielern nahezu in Bestbesetzung angereisten Berliner, selbst Torwartlegende Alexander Tchigir war mit an den Neckar gekommen, obwohl die von ihm trainierten Potsdamer zeitgleich gegen den Abstieg aus der DWL kämpften, zeigten sich körperlich äußerst robust und dennoch agil und zogen selbst im kleinen Becken des Esslinger Bades ein ums andere Mal Konter erfolgreich durch. Schnell stand es 0:3, was auch dem Spielverlauf entsprach. Die ersten beiden Esslinger Treffer zum 1:3 durch Hannes Rothfuß und zum 2:4 durch Robert Roth brachten die Gäste keineswegs aus dem Konzept und so ging es mit 2:6 in die erste Pause.
Robert Roth und Spandaus Kapitän Marc Politze (Foto: Benjamin Lau)
Im zweiten Abschnitt konnten sich die Gastgeber in der Abwehr zunächst steigern, doch zwei weitere Treffer von Kapitän Marc Politze und dem serbischen Spieler Marin Restovic ließen den Vorsprung der Berliner weiter anwachsen. Heiko Nossek ließ mit seinen ersten beiden von sechs Krachern aufhorchen und bescherte seiner Mannschaft damit ein ausgeglichenes Viertel.
Nach der Halbzeitpause schien bei den Esslinger mehr und mehr der Glaube zu wachsen, bei einer geschlossenen Mannschaftsleistung ein gutes Ergebnis erzielen zu können. Die Abwehr um Torhüter Marco Watzlawik stand immer besser gegen die auf allen Positionen gefährlichen Spandauer, die ihrerseits immer mehrere Esslinger Abwehrarme vor sich sahen. Schüsse wurden regelmäßig geblockt oder vom starken Esslinger Torwart gehalten. Jede gelungene Abwehraktion wurde von den Fans frenetisch bejubelt. Doch am Ergebnis änderte sich nicht viel, auch das dritte Viertel endete nach zwei weiteren Esslinger Toren von Heiko Nossek 2:2, wobei der Treffer zum 6:10-Pausenstand exakt eine Sekunde vor dem Abpfiff im Berliner Gehäuse landete.
Kapitän Heiko Nossek führte sein Team fast zur Sensation (Foto: Benjamin Lau)
Was dann im letzten Abschnitt passierte, wird wohl keiner der Anwesenden so schnell vergessen. Hannes Glaser mit einem unhaltbaren Fernschuss genau in den Winkel traf zum 7:10 und die Hoffnung auf ein gutes Ergebnis wurde größer. An mehr wollten die Zuschauer noch gar nicht denken, doch als Jan Glaser ein schön herausgespieltes Überzahlspiel zum 8:10 nutzte, waren es nur noch zwei Tore Rückstand bei fast sechs Minuten Restspielzeit. Bloß 25 Sekunden später schaffte Heiko Nossek mit seinem fünften Treffer erstmals den Anschluss. Erneut exakt 25 Sekunden später dann die erste ganz große Chance auf den Ausgleich: Esslingen bekam ein Überzahlspiel zugesprochen, nutzte dieses aber nicht und kassierte stattdessen durch den vierfachen Torschützen Hannes Schulz das 9:11. Als Robert Roth, der einmal mehr Spielfreude und Einsatzwillen par excellence zeigte, in seiner unwiderstehlichen Manier einstartete und von Heiko Nossek mit einem tollen Pass bedient wurde und einnetzte, waren die Esslinger knapp drei Minuten vor dem Ende wieder dran. Doch Spandau hielt mit aller Kraft dagegen und erneut Hannes Schulz stellte den Zwei-Tore-Abstand wieder her. Auch wenn das letzte Viertel bis zu diesem Zeitpunkt schon als spektakulär zu bezeichnen ist, was dann kam, ist an Dramatik nicht mehr zu überbieten. Heiko Nossek schaffte den Anschluss zum 11:12 und zwei Minuten vor Schluss stand die ganze Halle Kopf. Dass der Jubel noch steigerungsfähig war, zeigte eineinhalb Minuten vor dem Abpfiff der Ausgleichstreffer von Tim Hornuf, der sich das Spiel über auf der Centerposition gemeinsam mit Novak Zugic abrackerte. In Abwesenheit von Michael Müller zeigten die beiden jungen Centerspieler eine kämpferisch ganz starke Leistung und ermöglichten durch ihre unermüdlichen Positionskämpfe, dass die Esslinger Rückraumschützen so zur Geltung kommen konnten. Und eben jener Novak Zugic war es schließlich, der 46 Sekunden vor Schluss den nicht für möglich geglaubten erstmaligen Führungstreffer für den SSVE erzielte. Spandau war an den Rand einer Niederlage gedrängt. Und die Ruhe und Souveränität war bei den Berlinern längst verschwunden. Mit der Brechstange mussten sie es nun versuchen und kamen so durch Marin Restovic im folgenden Angriff zum Ausgleich. Doch noch standen 21 Sekunden auf der Uhr und Esslingen hatte den letzten Angriff. Heiko Nossek, der an diesem Abend von den Berlinern nicht in den Griff zu bekommen war, übernahm einmal mehr die Verantwortung, doch sein Schuss landete am rechten Pfosten und so ging es mit 13:13 in die Verlängerung.
Die grandiose Aufholjagd hatte wohl doch sehr viel Kraft gekostet und die erfahrenen Nationalspieler Fabian Schroedter (2) und Andreas Schlotterbeck retteten mit ihren Treffern den Berlinern gerade noch so den Sieg.
Dank der „Fluchttreppe“ der Firma Manfred Schmid GmbH & Co. KG wurde ein „Geisterspiel“ verhindert. Beim Aufbau haben die DWL-Spieler Lars Hechler, Tim Hornuf, Marco Watzlawik und Novak Zugic mit angepackt! (Foto: Benjamin Lau)
In der Best-of-Three-Viertelfinal-Serie führt Spandau nun erwartungsgemäß mit 1:0. Die scheinbar übermächtigen Berliner in die Verlängerung gezwungen zu haben, ist für die Esslinger Wasserballer ein Erfolg, den man in Erinnerung halten wird und der zeigt, was in dieser Mannschaft steckt. Weiter geht es am Samstag mit dem Rückspiel in Berlin.
Für den SSV Esslingen im Einsatz waren:
Marco Watzlawik (Torwart), Tim Hornuf (1 Tor), Hannes Rothfuß (1), Valentin Finkes, Novak Zugic (1), Robert Roth (2), Heiko Nossek (6), Lars Hechler, Lars Blankenhorn, Hannes Glaser (1), Robin Finkes, Jan Glaser (1) und Adrian Hausmann (Torwart).